Kritik an Deutschlands Finanzdenken: Rentensystem (Teil 1)

Intro

Immer mehr Deutsche fordern ein Finanzdenken

Im Beitrag „So gelingt der Einstieg in den Aktienmarkt“ habe ich bereits davon berichtet, dass es zahlreiche Depoteröffnungen während der Corona-Pandemie im März und April 2020 gab. Viele Deutsche nutzten die Chancen und kauften Aktien sowie ETFs, denn die Aktienkurse waren stellenweise um 50% eingebrochen. Mit den Apps von Direktbanken (comdirect) oder Neobrokern (Scalable, Trade Republic) ist dies mittlerweile mit 2-3 Klicks und lediglich zu 1€ Gebühren möglich. Hierneben wurden aber auch allein bei den Direktbank neue ETF-Sparpläne errichtet und die Zahl stieg von 313.000 auf über 1,7 Mio. an. Viele junge Menschen entdecken die Börse und eignen sich ein Finanzdenken an. Sie verlieren die Angst vor Aktien und entscheiden selbstverantwortlich über ihre Finanzen. Allein die Finanz-Community auf Instagram und Facebook wuchs in den letzten Monaten rasant an.

Damit einhergehend wächst das Interesse an politischen Entscheidungen

In Deutschland stehen die Bundestagswahlen (26.09.21) vor der Tür und viele Deutsche beschäftigen sich mit den verschiedenen Wahlprogrammen der Parteien. Schließlich wird dort über die Zukunft entschieden und viele Programmpunkte haben mit einem Finanzdenken zu tun. So wird das Thema der Steuern stark unterschiedlich beworben. Viele Anleger möchten beispielsweise die aktuelle Abgeltungssteuer von 25% auf Kapitalerträge beibehalten oder zumindest keine Erhöhung erfahren, denn so werden ihre Aktiengewinne oder Dividenden stark geschmälert. Aus diesem Grund wird die Politik auch in sozialen Medien verstärkt thematisiert, sowohl von jung und alt. Plattformen wie Twitter, YouTube, Facebook oder Instagram bieten die Möglichkeit ins Gespräch zu kommen. Ein häufig diskutiertes Thema ist allerdings auch das Deutsche Rentensystem, denn hier verstehen immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene, dass sie finanzielle Einbußen haben werden.

Rentensystem

Aufbau des deutschen Rentensystems: Das Umlageverfahren

Das deutsche Rentensystem ist nach dem Umlageverfahren konzipiert. Vereinfacht gesagt bedeutet das, dass die Erwerbstätigen die Renten bezahlen. Durch die steuerlichen Abgaben auf das Bruttogehalt, wie beispielsweise der Rentenversicherung von 18,6% (AN und AG zu je 9,3%), erhält heutzutage schon jeder Erwerbstätige deutlich weniger Nettogehalt. Diese steuerlichen Abgaben werden sofort in Rentenzahlungen umgewandelt und an alle Rentenbezieher ausgezahlt. Dieses Umlageverfahren klappt allerdings nur so lange, wie Erwerbstätige und Rentenbezieher in gleicher Anzahl vorhanden sind. 

Das 3-Säulensystem

Auf der Internetseite der deutschen Rentenversicherung wird deutlich darauf hingewiesen, dass die Altersvorsorge aus 3 Säulen besteht (siehe hier). Das bedeutet, dass die finanzielle Versorgung im Alter nicht allein durch den Staat in Form der gesetzlichen Rentenversicherung oder Beamtenversorgung sichergestellt wird. Diese Säule der „Öffentlich-rechtlichen Pflichtsysteme“ ist nur eine von drei Säulen, die im Alter für ein finanzielles Auskommen sorgen sollen. Viele Deutsche leben in dem Irrglauben, dass die gesetzliche Rentenversicherung das Einzige ist, was ihnen eine finanziell sorglose Rentenzeit beschert. Sie verlassen sich nur auf den Staat, was ein schwerwiegender Irrglaube ist. Wieso dieser Irrglaube zur Altersarmut führen kann, zeige ich an späterer Stelle. Neben dem öffentlich-rechtlichem Pflichtsystem gibt es noch zwei weitere Säulen: die betriebliche Altersversorgung und die Private Vorsorge. Gerade die private Altersvorsorge wird von vielen jungen Menschen neuerdings mithilfe von Aktien und ETFs entdeckt, denn sie wissen, dass sie mit Aktien langfristig im Plus liegen.

Finanzdenken Deutsches Rentensystem

Sinnvolle Erweiterung des deutschen Rentensystems

In einem früheren Beitrag habe ich bereits über eine Erweiterung des Rentensystems geschrieben. Denn einige Politiker erkennen die Grenzen des Umlageverfahrens und fordern eine Umstrukturierung. Wenige deutsche Politiker erkennen diesen Umstand und es kam die Idee eines Staatsfonds, so wie es die Norweger schon seit vielen Jahren praktizieren. Siehe hier. Ganz aktuell schlägt die CSU sogar ein „Starterkit“ für die Altersvorsorge vor. In dem Entwurf heißt es, dass der Staat ab Geburt bis zum 18. Lebensjahr für jedes Kind einen Beitrag von 100€ pro Monat in einen Fonds einzahlen soll, der das Geld renditeorientiert anlegt. Sobald diese Person in das Rentenalter eintritt, würde diese am Kapitalmarkt erwirtschaftete Rente dann zusätzlich zu den bestehenden Rentenansprüchen ausgezahlt werden. Es würde somit eine vierte Säule der Altersversorgung entstehen. Der Artikel ist hier einsehbar.




Rentensystem Problem

Ungleichheit bei Erwerbstätigen und Rentenbeziehern

Wie zuvor beim IST-Zustand beschrieben, funktioniert das Umlageverfahren nur, wenn Erwerbstätige und Rentenbezieher in gleicher Anzahl vorhanden sind. An dieser Stelle kommt der sogenannte „Demographische Wandel“ ins Spiel. Folgende Grafik vom Statistischen Bundesamt verdeutlicht das Problem ganz gut:

Finanzdenken demowandel

Der Bierbauch ist ungesund für den Deutschen

Die Grafik zeigt den Altersaufbau der deutschen Bevölkerung aus dem Jahr 2019. Der demo­grafische Wandel ist in Deutschland längst angekommen. Die sinkende Zahl der Menschen im jüngeren Alter und die gleichzeitig steigende Zahl älterer Menschen verschieben den demo­grafischen Rahmen in bisher nicht gekannter Art und Weise. Jede zweite Person in Deutschland ist laut Destatis heute älter als 45 und jede fünfte Person älter als 66 Jahre. Stellt man sich bei der Grafik eine Person vor, so hatte die Person im Jahr 1990 dicke Oberschenkel oder eine breite Hüfte (Die Mehrheit der Deutschen hatte ein Alter von 20-40 Jahren). Im Jahr 2019 hat die Person allerdings einen sehr dicken Bauch und die große Generation von damals ist heutzutage im Alter von 50-60 Jahren. Das bedeutet, dass dieser Großteil der Deutschen bald das Renteneintrittsalter erreicht hat und eine Rente bezieht.

Immer weniger Beitragszahler für immer mehr Rentenbezieher

Diese Entwicklung ist allerdings in Verbindung mit unserem Umlagesystem sehr problematisch, denn der großen Anzahl an Rentenbeziehern stehen immer weniger Beitragszahler gegenüber. Erkennbar ist diese Entwicklung an den dünnen Beinen dieser Figur. Anhand der Internetseite www.demografie-portal.de, welche vom Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung verwaltet wird, ist die dramatische Entwicklung gut beschrieben. Im Jahr 1962 mussten sechs Beitragszahler für die Altersrente einer Person aufkommen. Im Jahr 2015 sind es nur noch 2,1 Personen, welche für die Altersrente einer Person aufkommen müssen. Dieser Effekt wird sich in den nächsten Jahren weiter verstärken, sodass die Zahl der Rentenbezieher deutlich zunimmt und die Anzahl der Erwerbstätigen hingegen abnimmt. Für das Jahr 2050 werden es voraussichtlich nur noch 1,2 sein.

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Interessante Dokumentation vom ZDF

Ein aktuelles Video des ZDF verdeutlicht noch mal alles, was ich bisher geschrieben habe. Es geht um die aktuellen Probleme des Rentensystems und die aufkommenden Grenzen.

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Armutsgefährdet

Im Jahr 2019 waren 14,8% der Deutschen Armutsgefährdet

In Deutschland lag laut Statista im Jahr 2019 die Armutsgefährdungsquote bei 14,8%. Das bedeutet, dass 14,8% der Menschen von Armut oder sozialer Ausgrenzung betroffen sind. In Zahlen lag die Armutsgefährdungsgrenze im Jahr 2019 bei einem Alleinlebenden bei 14.109€ im Jahr. Wer ein höheres Einkommen als diese 1.175€ pro Monat zur Verfügung hat, ist laut Zahlen nicht von der Armut betroffen. In meinem Beitrag „Erschreckende Zahlen – Wie groß wird Deine Rentenlücke sein?“ habe ich geschrieben, dass im Jahr 2019 durchschnittlich 954€ an Rentenzahlbetrag ausgezahlt wurde. Durchschnittlich erhalten also mehr Menschen eine Rente, welche unterhalb der Armutsgefährdungsquote liegt.

Privat vorsorgen und Rentenlücke füllen

In Deutschland liegt das Rentenniveau bei knapp 50%. Laut Deutsche Rentenversicherung Bund zeigt das Rentenniveau die Relation zwischen der Höhe einer Rente (45 Jahre Beitragszahlung auf Basis eines durchschnittlichen Einkommens) und dem durchschnittlichen Einkommen eines Arbeitsnehmers/einer Arbeitnehmerin. Das bedeutet, dass im wohl verdienten Ruhestand nur 48,1% oder sehr wahrscheinlich bis dahin noch viel weniger von dem Geld zur Verfügung steht, mit welchem man zuvor monatlich ausgekommen ist. Eine Lücke von fast 50-60% stehen im Raum. Abschließend ist es sehr wichtig, privat vorzusorgen.

Fazit

Finanzdenken Deutschland Fahne

Zusammenfassend…

… kann man sagen, dass das Rentensystem immer stärker an seine Grenzen kommt und realistisch betrachtet keine Zukunft hat. Was ich bisher noch gar nicht erwähnt habe ist der Umstand, dass der Staat die Rentenzahlungen schon enorm bezuschusst und diese Staatsgelder auch immer weiter erhöhen muss, um den demographischen Wandel auszugleichen. Da aber auch die staatlichen Gelder begrenzt sind, werden hier entweder die Beitragssätze erhöht und/oder das Renteneintrittsalter nach hinten verschoben. Das bedeutet noch weniger Netto vom Brutto und die Rente rückt immer weiter in die Ferne. Ebenfalls habe ich noch nicht angesprochen, dass Deutschland das Rad nicht neu erfinden muss. Ein Blick in die USA mit deren 401K Plänen oder nach Norwegen mit dem riesigen Staatsfonds zeigen doch, dass Rente auch anderes und vor allem finanziell cleverer lösbar sind.

Aus diesen Gründen ist es enorm wichtig, privat vorzusorgen. Sich nur auf die Rente vom Staat zu verlassen ist sehr fahrlässig. Alles was Du für die private Altersvorsorge wissen musst, findest Du in meinen ganzen Beiträgen, dem Investitionsleitfaden oder auch auf Instagram/Finanzdenken. In Teil 2 möchte ich auf die Steuern und Abgaben in Deutschland eingehen, denn auch hier läuft nicht alles optimal. Also bis zum nächsten Mal!

Bleib gesund & munter!

Cheerio, Alex

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